Gefahren der „Qualitätssicherung“ im Krankenhauswesen
Wittgenstein: „Oftmals ist es schwierig, das Allernächste und Offensichtliche zu sehen…“
Was auf den ersten Blick einleuchtend ist, erweist sich bei kritischer Analyse als neue Gefahr. Wenn „Qualität“ bevorzugt auf von extern angelegten Messverfahren und „Big-Data-Methoden“ beruht droht sie die traditionelle, auf Beobachtung und kollegialer Kommunikation beruhende medizinische Qualitätssicherung zu unterlaufen. Kontroversen um Methodik und Konzept der Qualitätssicherung beruhen letztendlich auf einem Machtkampf um die Medizin. Die positiven Potenziale der Digitalisierung werden zur Gefahr, wenn im Namen einer vermeintlichen Qualität und Wirtschaftlichkeit die Versorgungsprozesse, Patienten und Mitarbeiter zu Datenträgern mutieren, die zum Zwecke extern zentralisierter Kontrolle auf jene Eigenschaften reduziert werden, die sich den Messverfahren anbieten. Die Kernbereiche einer humanen Medizin drohen dabei übersehen und verloren zu gehen.
Für eine qualitativ hochwertige medizinisch-pflegerische Versorgung der Patienten im Krankenhaus zu sorgen ist ein gutes Ziel.
Das Ethos der Ärzte, Therapeuten, Pflegenden ist seit Jahrhunderten auf das Wohl des Kranken und die Vermeidung von Schaden gerichtet, auch wenn die Wirklichkeit dem nicht immer entsprach. Zweifellos ist es wichtig, gute Medizin und Pflege nicht nur zu erwarten, sondern kontinuierlich kritisch zu prüfen und an ihrer Verbesserung zu arbeiten.
Für die Gewährleistung und Weiterentwicklung guter Medizin wurden seitens der Ärzteschaft und anderer Heilberufe vielfältige Praktiken und Konzepte entwickelt. Dazu gehört zuerst eine gute Ausbildung der Fachkräfte auf wissenschaftlicher Grundlage, die Führung der therapeutischen Teams durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die kritische Überprüfung von Indikationen und Behandlungsprozessen, der kommunikative Austausch mit den Patienten und über die Patienten, eine gute Organisation von Abläufen und Institutionen wie Visiten, Aufnahmeuntersuchungen und Anamnesen, Fortbildungen, Besprechungen von Befunden, Tumorboards, Obduktionen, Kontrolle der Arztbriefe usw. . In jüngerer Zeit wurden zudem ethische Fallbesprechungen und Konsile, Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sowie Fehlerberichts- und Lernsysteme (CIRS) eingeführt . All diese Maßnahmen haben nur ein Ziel: gute Medizin und Pflege!
Blickt man auf die vergangenen vier Jahrzehnte zurück so fällt auf, dass sehr viele der genannten Aspekte zur Gewährleistung bestmöglicher Patientenversorgung im Krankenhaus gelitten haben.
Diese Einschätzung beruht auf eigenen empirischen Arbeiten in den Kliniken, auf Gesprächen und Studien mit Ärzten, Pflegenden und anderen Mitgliedern therapeutischer Teams (vgl. Literatur im Anhang). Berichtet wird von schleichender Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, Verlust von Engagement und Arbeitsfreude, erheblichen Mängeln der Versorgung, ja teilweise von unerlaubten und rechtlich zweifelhaften Verhältnissen. Ausstiege aus dem Berufsleben sind besonders in der Pflege häufig, finden sich aber auch beim ärztlichen Personal. Ärzte und Patienten bemängeln die knappe Zeit füreinander, die Eile, das Unpersönliche. Daneben gibt es jedoch auch eine Verbesserung der Komforts für die Patienten, kürzere Aufenthalte im Krankenhaus, teilweise besser organisierte Versorgungsprozesse und schonendere medizinische Eingriffe. So ergibt sich bei oberflächlicher Betrachtung ein gemischtes Bild.
Im selben Zeitraum beginnt der Aufstieg der Rede von der „Qualität“, ihrer „Sicherung“ und ihres „Managements“.
Zugleich ist dies die Zeit der schrittweisen Übernahme der Steuerungsmacht im Krankenhauswesen durch externe Institutionen und im Klinikum durch eine kaufmännisch orientierte Geschäftsführung. Hintergrund ist die Einführung des ökonomischen Wettbewerbsprinzips, eines Krankenhausmarktes und der damit notwendig gewordenen Gewinnorientierung, technisch bewerkstelligt durch das System der Fallpauschalen.
Der vielfach als Ökonomisierungsprozess bezeichnete Weg brachte auch das Qualitätsthema im Gepäck mit sich. Dessen Ursprung ist nicht die herkömmliche Medizin, sondern das Motiv einer Überprüfung und Steuerung von ‚Außen‘, d.h. von jenen Einrichtungen, die betriebs- und volkswirtschaftliche sowie damit verknüpfte politische Ziele verfolgen. Aus Sicht der vorherrschenden wissenschaftlichen Qualitätsforschung verfügt die Medizin über keine Qualitätssicherung. Sie muss von außen herangetragen werden.
Für Ärzte und Pflegende ist dies ein Affront, Sie sehen sich plötzlich mit der für sie irritierenden Aufforderung konfrontiert, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Indirekt unterstellt dies, dass den Angehörigen der Heilberufe ihre eigene Patientenorientierung abgesprochen oder jedenfalls in Zweifel gezogen wird. Man unterstellt, dass die eigenen Interessen wichtiger seien als die der Patienten. Fortan müsse ein spezielles Qualitätsmanagement und die Politik die Sorge um die gute Medizin in die Hand nehmen. Statt von guter Medizin wird nun von Qualitätsorientierung gesprochen.
Deutlich wurde dabei: Qualitätskonzepte, Krankenhauswettbewerb, zentralistische Steuerung und Machtverschiebung gehören zusammen
Wer noch über antiquarische Medizinbücher verfügt findet das Wort Qualitätssicherung nicht.
Das Streben nach einer fortwährenden Weiterentwicklung der Medizin war und ist so selbstverständlich, dass es in der Regel nicht explizit thematisiert wird. Und die vielfältigen Vorkehrungen, Gewohnheiten, Haltungen und Regeln der Ärzteschaft und anderen Heilberufe um das Wohl des Patienten werden bis heute schlichtweg in ihrer Bedeutung für die faktische Qualität ausgeblendet. Sind die therapeutischen Teams, wenn sie sich frei über die erlebte Krankenhauswirklichkeit austauschen können, nicht hervorragende Quellen der Qualitätssicherung? Aber:
- Wie soll man verstehen, dass in den vergangenen Jahrzehnten, als seitens der Politik und einiger Vertreter der Gesundheitswirtschaft von Qualitätsoffensiven gesprochen wurde, wichtigen Elementen der traditionellen Sorge um gute Medizin die Grundlagen entzogen wurden?
- Wie soll man verstehen, dass die damit verbundene alarmierende Entwicklung kein Gegenstand einer ausreichenden Qualitätsforschung und kein Gegenstand politischer Aufmerksamkeit geworden ist?
- Warum, so muss man fragen, wurden die Stimmen der Ärztinnen und Ärzte, Schwestern und Pfleger, Physiotherapeuten und Klinikseelsorger, die sich ja reichlich geäußert haben, nicht für würdig erachtet, zur Bewertung der Versorgungsqualität im Krankenhaus herangezogen zu werden?
- Warum wurde eine Qualitäts- und Versorgungsforschung überwiegend aus der Ferne, sehr oft von fachfremden Personen durchgeführt, die nie im Krankenhaus gearbeitet haben?
- Warum wurde (und wird) nicht ernst genommen, dass die Kliniker eine gänzlich andere Wahrnehmung der Versorgungswirklichkeit haben als die von Zeitschriften und Zeitungen erstellten und verkauften Zertifikate und Rankings („Deutschlands beste Kliniken“ usw.). (Mehrfach wurden die „Top- Krankenhäuser“ vom ärztlichen und pflegerischen Dienst als unterirdisch charakterisiert .)
- Warum wird ein personell aufwendiges Qualitätsmanagement mit der Erstellung von teuren Qualitätsberichten beschäftigt, deren Validität und Sinnhaftigkeit von den Autoren selbst häufig in Frage gestellt wird, während die Befindlichkeit und die Wahrnehmungen jener am Krankenbett kein Thema ist?
Das Bedürfnis einer zentralisierten Steuerung des Krankenhauswesens bei gleichzeitiger Ökonomisierung erzeugt einen Bedarf an quantifizierten Qualitätsdaten und entwertet die Erfahrung der Ärzteschaft, Therapeuten und Pflegenden
Als Antwort auf all diese Fragen bieten sich eine Reihe miteinander verbundener Erklärungen an. Im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), der zu einem Zentralinstitut für die Qualitätssicherung geworden ist, herrscht die Überzeugung, dass die externe stationäre Qualitätssicherung auf einer validen, manipulationssicheren, einheitlichen Big Data-Basis nicht nur notwendig, sondern auch wissenschaftlich möglich ist. Beide Annahmen sind fragwürdig.
Der hierfür betriebene Aufwand ist enorm. Hunderte Qualitätsindikatoren werden vorgegeben, die strukturierten Qualitätsberichte nähern sich einer Seitenstärke von Tausend. Die Zahl der mit Gewinnung und Verarbeitung der Daten beschäftigten Fachkräfte dürfte in die Zehntausende gehen. Die Kosten für Hard- und Software, Institute, Aus- und Fortbildungen sowie die Gehälter sind mir nicht bekannt, vermutlich sind sie auch nicht zu ermitteln. Eine allgemein von der Medizin verlangte Kosten-Nutzen-Analyse liegt hier nicht vor. Insgesamt aber hat sich um das Thema „Qualität“ ein wachsender Dienstleistungssektor entwickelt, der für die Gesundheitswirtschaft gut sein mag, für die Medizin im Krankenhaus jedoch eher eine Belastung darstellt. Sie raubt Ressourcen und greift selbst verändernd in die Versorgungsprozesse ein.
Ein Grund für den mit Nachdruck vorangetriebenen Aufbau eines Systems zur Qualitätserfassung ist der Bedarf einer qualitätsbasierten Finanzierung der Krankenhäuser.
Dieses praktisch relevante Ziel verlangt pragmatische Lösungen. Der Nachweis erbrachter Qualität muss rechtssicher sein, er soll ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit garantieren und er soll eine Umrechnung von Qualität auf Quantität im Sinne von Geldwerten ermöglichen. Methodisch muss ein solches Konzept also konsequent qualitative Phänomene der Patientenversorgung und Krankenhausrealität in messbare , also quantifizierbare Phänomene verwandeln. Bei einem solchen Vorgehen haben freilich narrative und qualitative Verfahren der Qualitätsforschung keinen Platz. Erkenntniskritische Überlegungen werden aus Gründen der Nützlichkeit ignoriert. Damit wird eine Validität von Qualitätsaussagen behauptet, die angesichts der Komplexität des Phänomens Qualität schlichtweg illusionär ist und somit gefährlich ist.
Fassen wir diese Überlegungen zusammen:
- Das politisch motivierte Bedürfnis einer externen Steuerung der stationären Versorgung verlangt einen grundsätzlich unbegrenzten, permanent und zeitnah fließenden und auszuwertenden Datenschatz.
- Messbarkeit ist eine zwingende Norm. Diese soll als Garant für Validität und Objektivität gelten.
- Die Auswertungsergebnisse sind als Grundlage einer aus den Krankenhäusern in Zentralinstanzen verlagerten Steuerungsmacht gedacht.
- Die daraus folgende Entmachtung der Krankenhäuser und patientennahen Gesundheitsberufe verlangt neben den Daten auch eine spezifische wissenschaftliche Methodik.
- Folglich ist die Macht, über die Auswahl der Methodik der Qualitätsforschung zu entscheiden, verkoppelt mit dem Ausschluss der Stimmen derjenigen, die mit allen ihren Sinnen Patienten versorgen, die Versorgungsqualität unmittelbar wahrnehmen und ihre Erfahrungen kommunikativ teilen.
- Somit erklärt sich die Kluft zwischen der „gemessenen Qualität“ und der unmittelbar wahrgenommen Qualität. Methodik, Macht und Konflikt sind also eng miteinander verzahnt.
Aus der Methodenkritik der Mainstream-Qualitätsforschung, insbesondere jener, die in der Messbarkeit der Phänomene den Königsweg der Wissenschaft sieht, ergibt sich nun zweifellos, dass zwar einzelne Qualitätsaspekte objektiv und praktisch verwertbar ermittelt werden können, nicht aber aggregierte Qualitätsaussagen.
Messen lassen sich nur klar objektivierbare und quantifizierbare Phänomene. Die Qualität der Beziehung zwischen dem therapeutischen Team und einem Patienten entzieht sich der Messung, ist aber für den Therapieerfolg (z.B. die Compliance) von großer Bedeutung.
Ein zunehmend wichtiger Anteil der Heilungs- bzw. Gesundungsprozesse geht von den Patienten selber aus. Auch hierbei spielt die kommunikativ vermittelte Beziehung eine entscheidende Rolle.
Die im Verlauf der Behandlung und als deren Ergebnis erlebte Lebensqualität ist niemals präzise messbar. Es gibt hunderte von Modellen der Quantifizierung dieser Qualitäten, keines davon überzeugt.
Die für die Qualitätsmessung maßgeblichen Indikatoren werden ex ante nach Plausibilität und ihrer Skalierungseignung gewählt. Damit werden nicht messbare Aspekte a priori ausgesondert . Viele Indikatoren sind selbst ausgesprochen angreifbar, Forschungen über die Validität der Ergebnisse sind eher enttäuschend.
Die unterstellte Objektivität der Qualitätsdaten ist demnach nicht haltbar, wird aber durch Zahlen (bis hinter die Kommastelle) als präzise vorgestellt und gerne als Fakten präsentiert.
In der Praxis beeinflussen die Datenerhebungen und deren Aufgabe die realen Abläufe, d.h. die Mess-Absicht und ihre Verfahren verändern die Prozesse. Die Mitarbeiter lernen den Umgang mit den Datenbedarfen und stellen sich darauf ein, ohne dass damit echte Verbesserungen erreicht werden. Wer in die Kliniken geht wird sehen, dass zunehmend darauf geachtet wird, „gute Daten“ zu produzieren, ohne dass dies „guter Medizin und Pflege“ entsprechen muss.
Die Verkoppelung von Qualitätsdaten mit Wettbewerbsfaktoren, dem Ruf der Abteilung oder des Hauses und mit Zu- bzw. Abschlägen der Bezahlung sind für ein konstruktives Fehlermanagement kontraproduktiv. Die Erfahrung , wenn sie denn zugelassen wird, zeigt leider eine konsequente Unterdrückung der Kommunikation von Mängeln, Gefahren und Schäden aus Angst vor „schlechten Zahlen“.
Der griechische Philosoph und Sternengucker Thales soll unter dem Gelächter einer thrakischen Magd beim Blick nach den Sternen in eine Grube gestolpert sein.
Sein weiter Blick in die Ferne ließ ihn – zu seinem Unglück und Spott- die naheliegende Gefahr übersehen. Absturz war die Folge.
Der Blick von exzentrischer Position wird blind gegenüber den scheinbar trivialen Phänomenen der Lebenswelt, in denen allerdings über Engagement und Gleichgültigkeit, Motivation und Resignation, Unterstützung und Widerstand, Arbeitsfreude und Burn-Out entschieden wird.
Proportional zur Entfernung vom praktischen Gegenstand wächst die Komplexität mathematisch-statistischer Methoden einer Qualitätsforschung , die heute zunehmend auf kaum noch überprüfbare Algorithmen und Big-Data-Verfahren setzt. Damit wächst zugleich die Gefahr einer gefährlichen Realitätsverkennung.
Der hohe Anspruch, auf Grundlage der bevorzugten Methodologie Aussagen über so ein komplexes Phänomen wie die Qualität eines medizinischen Verfahrens, einer klinischen Abteilung oder gar eines ganzen Krankenhauses machen zu können, kann zwar nicht eingelöst werden, muss aber schon aus Gründen der finanziellen Förderung aufrecht erhalten bleiben. Die Qualitätsergebnisse stellen dann nicht dar, was tatsächlich ist , sondern das, was man als Qualität vorgeben und letztendlich verkaufen kann. Genau an dieser Stelle geht von der Qualitätsforschung Gefahr aus.
Beispielhaft sei auf die Situation der Pflegeberufe hingewiesen. Der aktuelle Mangel an verfügbaren Pflegekräften war seit Jahren absehbar. Der kritische Blick der Schwestern und Pfleger auf die Versorgungswirklichkeit im Krankenhaus ist jedem bekannt, der sich für deren Wahrnehmung interessiert. Ärzte, die offen reden können, beschreiben die Situation der Pflegekräfte schon seit langem als noch dramatischer als die eigene. Warum werden diese Phänomene ignoriert, nicht für wichtig gehalten, ausgeblendet? Und warum wird in Kauf genommen, dass diese Nicht-Wahrnehmung zugleich eine Demütigung für die betroffenen Berufsgruppen sind, die wiederum starke negative Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung hat?
Gefährlich wird der gesamte Qualitätskomplex dann, wenn er durch quantifizierte Aussagen über vermeintliche Qualität beiträgt zur Ausblendung und damit zur Verharmlosung kritischer nicht quantifizierbarer Phänomene, wenn er Qualität vorgibt, wo in Wirklichkeit hohe Risiken bestehen, wenn er aus Gründen eines durch Wettbewerbsregeln notwendigen Marketings gefällige Bewertungen produziert. Damit soll freilich nicht jede messende Qualitätsprüfung gemeint sein und schon gar nicht die Konzepte, die inhaltliche Voraussetzungen guter Medizin benennen und deren Realisierung überprüfen.
Gefährlich wird es auch dann, wenn die externe Qualitätssicherung die herkömmlichen und dort auch weiterentwickelten Verfahren der internen Sorge um gute Medizin nicht nur übersieht, sondern auch aktiv behindert. Dies ist heute durch die erzwungene Bedienung der Datenbedürfnisse der Externen und der komplementären Datenschutzmaßnahmen schon stark der Fall.
Gefährlich ist, wenn Qualität bestätigt wird, wo keine oder nur bruchstückhaft gute Versorgung möglich ist, während gleichzeitig die Sorge um gute Medizin und Pflege nicht als echtes Qualitätsbemühen anerkannt und im schlimmsten Fall systematisch behindert wird. (Wo Qualität draufsteht ist keine drin- und wo Qualität vorhanden ist steht es nicht drauf!)
Als Konsequenz ergibt sich eine Zurückweisung des Anspruchs der Möglichkeit einer umfassenden und validen Qualitätsmessung.
In Grenzen sind externe Qualitätsmessungen möglich und sinnvoll, aber niemals zu Lasten der internen Qualitätssicherung. Dezentrale Konzepte , auf Wahrnehmung und Kommunikation der Teams beruhend, sind gegenüber zentralistischen Prozessen zu bevorzugen.
Führungskräfte sollten sich „vor Ort“ im Austausch mit den patientennahen Berufen orientieren. Qualitätsdaten können dies nicht ersetzen.
Die enorm aufwendigen , vom Gesetzgeber verlangten, Qualitätsberichte sollten in der gegenwärtigen Form umgehend abgeschafft werden. Der allgemeinen Forderung nach Wirtschaftlichkeit entsprechen sie nicht.
Die Versorgungsforschung muss qualitativen Methoden eine bevorzugte Rolle beimessen.
Messen kann man nur so viel wie es der Gegenstand zulässt. Geht man darüber hinaus so werden Qualität und Sicherheit fälschlich vorgetäuscht. Damit geht Vertrauen verloren und die guten Ziele werden verfehlt.
Zentralistische Qualitätsentwicklung „von Top“ ohne starke Fundierung in den praktischen, kommunikativ vermittelten und patientenbezogenen Versorgungsbezügen verfehlt ihre Ziele, gefährdet die Güte der Medizin und Pflege und damit die Sicherheit der Patienten.
Literatur:
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Wehkamp KH, Naegler H (2017) Ökonomisierung patientenbezogener Entscheidungen im Krankenhaus- eine qualitativer Studie zu den Wahrnehmungen von Ärzten und Geschäftsführern, Deutsches Ärzteblatt Jg.114, 47, 797-804
Englische Ausgabe: The commercialization of patient-related decision making in hospitals—a qualitative study of the perceptions of doctors and chief executive officers. Dtsch Arztebl International 2017; 114. 797-804 DOI: 10.3238/arztebl.2017.0
Karl-Heinz Wehkamp (2020) Die Arbeitswelt von Ärzten – früher und heute. In: Zeitschrift für medizinische Ethik 66(2020), 223-228
Karl-Heinz Wehkamp.(202072021) Medizinethik und Ökonomie im Krankenhaus – die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ergebnisse einer qualitativen StudieEthik Med. https://doi.org/10.1007/s00481-020-00603-0
Published online: 10.December 2020 Printversion: Ethik in der Medizin Sommer 2021
Arne Christian Siewert, Karl-Heinz Wehkamp, Carsten Johannes Krones, Werner Vogd, Erik Allemeyer, Bewerbungsgespräche von Chefärzten- Ökonomie hat hohen Stellen- wert, In: Deutsches Ärzteblatt | Jg. 118 | Heft 4 | 29. Januar 2021; Dtsch Arztebl 2021; 118(4): A 180–4; Volltext online unter iww.de/s4575.
Ulrich Deichert, Wolfgang Höppner, Joachim Steller (Hrsg.) : Traumjob oder Albtraum- Chefarzt m/w, Berlin-Heidelberg 2016 , Springer
Karl-Heinz Wehkamp, 2016, Die doppelte Verantwortung und ihre Widersprüche- Chefärzte zwischen Medizin und Betriebswirtschaft, in Deichert u.a. (Hrsg.) Traumjob oder Albtraum, Berlin-Heidelberg, Springer, S. 227-240
Karl-Heinz Wehkamp, 2004, Die Ethik der Heilberufe und die Herausforderungen der Ökonomie, Humanitas Verlag, Berlin